Bettsocken für Albert McCrolly

VORWORT

Was haben Füchse mit Kontrabässen zu tun? Soviel wie Krokodile mit Bettsocken. Und doch schien es mir brennend notwendig, eine Verbindung zwischen zwei solch unvereinbaren Welten herzustellen. Ich habe die Verbindung zwischen Krokodilen und Bettsocken nicht erzwungen; sie hat sich gewissermaßen selbst als völlig natürliches Ereignis eingestellt. Sind es meine Memoiren?
Ich habe keine Lust, direkt über mein Leben zu schreiben. Es genügt zu sagen: Ich bin Neuseeländerin, 1942 in Wellington geboren, Muttersprache Englisch, vor langer Zeit nach Deutschland ausgewandert, verheiratet, verwitwet, ein Sohn, Staatsschullehrerin, Waldorflehrerin, viele Jahre in einem Kinderdorf tätig gewesen, spiele sehr gern Kontrabass, und lebe am Bodensee.


Ich habe Handarbeitslehrerinnen (vielleicht gibt es auch Handarbeitslehrer) immer bewundert. Sie standen meistens im Hintergrund, und haben vieles gemacht, was verborgen war und unauffällig blieb, aber zur Verschönerung des Schulalltags beitrug.

Und plötzlich war Albert McCrolly da. Und Lilian Rohde, eine Handarbeitslehrerin. Herr Perle auch, - der Hausmeister. Entfernt erkennen Insider ein gewisses “Waldorf Ambiente” aber die Geschichte könnte sich überall abspielen. Als Umrahmung wird etwas mit der alten Temperamentenlehre gearbeitet - sanguinisch, melancholisch, phlegmatisch und cholerisch. Temperament ist nicht eine starre Kategorie, Temperament ist eine Tendenz, eine Grundmusik, die sich in den unterschiedlichsten Ausarbeitungen manifestieren kann. Also warum nicht auch bei Krokodilen? Albert McCrolly möchte in die Weltgeschichte eingehen. Soweit ich informiert bin, hat er auch eine Symphonie komponiert, eine “Sobek Symphonie”. Sie dauert 4 1/2 Minuten. Höchste Konzentration. Musik mit Schmiss und Biss. Sie wird demnächst erscheinen.

Zuletzt: Füchse haben schon etwas mit Kontrabässen zu tun, aber das ist eine neue Geschichte!
Diane Dümke


Anbei eine Textprobe:
Der Unterricht in der Schule war vorbei, und gerade wollte Frau Rohde ihre Sachen einpacken und nach Hause gehen. Es war ein anstrengender Tag gewesen - als Handarbeitslehrerin hatte sie doch immer eine Menge Fäden zu entwirren. Sie hatte auch Hunger und freute sich auf ein verspätetes Mittagessen. Da klopfte es. "Ach, jemand hat wieder etwas vergessen!", dachte sie ärgerlich und machte auf. Da stand ein Krokodil. "Guten Tag", sagte das Krokodil sehr höflich, als ob es ganz selbstverständlich sei, dass ein Krokodil vor dem Handarbeitszimmer stehe. "Erlauben Sie mir mich vorzustellen, ich bin Albert McCrolly."

"Albert McCrolly?", Frau Rohde schluckte vor Überraschung und bemühte sich, ruhig zu sprechen, obwohl ihr das Herz gewaltig pochte. "Haben Sie sich nicht verirrt? Wenn Sie den Fluss Nil suchen, Herr McCrolly, dann müssen Sie geradeaus nach Süden... wissen Sie... durch die Schweiz, über die Alpen... ja und dann erreichen Sie Italien... da ist der große Hafen von Genf... nein ich meine Genua und von dort aus fahren viele Schiffe nach Ägypten, nach Alexandrien. Sie werden alles wiedererkennen, Herr McCrolly, bestimmt!" Frau Rohde schnappte nach Luft. Sie versuchte mit größter Überzeugung, weiter zu sprechen. "Wenn Sie einen Kameltreiber treffen, dann fragen Sie ihn nach der Richtung zum Nil. So leicht ist das!" Frau Rohde lächelte zuversichtlich. Das Krokodil aber machte keinen Schritt Richtung Nil, sondern trat in ihr Zimmer herein. Schnell drückte sich Frau Rohde gegen den Türrahmen. Albert McCrollys wippender Schwanz schien ihr sehr gefährlich zu sein.

"Keine Sorge, Frau Rohde, ich suche nicht den Nil", zischte Albert McCrolly. "Wissen Sie, ich bin auf einer Bildungsreise und ich denke zur Zeit nicht an eine Rückkehr nach Ägypten. Ich habe etwas anderes vor..." Albert McCrollys kleinen Augen streiften langsam durch das Zimmer, bis sie wieder bei Frau Rohde ankamen. Er starrte sie an. Sie spürte zunehmend ein flaues Gefühl im Magen. Das war es dann! Blanker Mord im Handarbeitszimmer. Kein Entrinnen! Ach, wie viel hatte sie doch im Leben vorgehabt! Die Theatereinladung am Samstag, Einkaufsbummel am Dienstagmittag, den Spanischkursus an der Volkshochschule, die gebuchte Reise an die Costa Brava - und die schönen Bratwürste im Kühlschrank, sie werden schlecht, wenn ich sie heute nicht esse. Sie schloss die Augen und hoffte, dass ihr Ende ein schnelles wäre. Sie wartete. Nichts geschah. Keine Bewegung. Ärgerlich machte sie wieder die Augen auf.

"Bitte machen, Sie was Sie vorhatten, schnell, Herr McCrolly", bat sie mit tapferer Stimme.

"Ja, eine gute Idee!", rief Albert McCrolly, "darf ich mich hinsetzen dafür?"

"Oh, welche überspannte Grausamkeit!", dachte Frau Rohde für sich. Es reichte. Es reichte! Er wollte es sich bequem machen und sie dann verspeisen. Sie schob ihm schweigend einen Stuhl entgegen. Warum kann ich nicht schreien?, war ihre nächste Überlegung. Sie schielte aus dem Fenster. Draußen lag alles verlassen da. Kein Mensch ging vorbei. Herr Perle, der Hausmeister, war auch nicht zu sehen. Meistens musste er eine Menge weggeworfene Papiere aufsammeln. Gerade heute, schien es, waren die Kinder sehr ordentlich gewesen. Wirklich ein Jammer! Aber einen Augenblick! Frau Wipp, die Putzfrau, kommt heute. Kraftvoll, energisch, resolut. Sie greift bestimmt ein. Doch nein, diese Woche hat sie Urlaub, dann kommt sie sicherlich nicht. Sie, Frau Rohde, müsste vertretungsweise selbst für die Sauberkeit sorgen. Zum Glück! dachte sie nachträglich. Es wäre wirklich nicht schön für Frau Wipp ein abgerissenes Bein, einen Arm oder sogar den Kopf von der ihr so geschätzten Frau Rohde am Boden vorzufinden. Sie schauderte. Ihre einzige Hoffnung war zu versuchen, wegzulaufen. Aber Albert McCrolly saß sehr platzeinnehmend da auf dem Stuhl, und der stand auf dem Weg zur Tür. Sie hatte gelesen, dass Krokodile aus einer trügerischen Ruhe blitzschnell zuschlagen können. Also, für sie gab es keine Hoffnung mehr. Wenn sie nur beten könnte. Das wäre angebracht. "Lieber Gott!", hauchte sie mit zitternder Andacht..."Ich heiße nicht Gott", zischte es von dem Stuhl. "Ich heiße Albert McCrolly, und ich will das Stricken lernen, denn ich brauche Bettsocken."

"Bettsocken?", fragte Frau Rohde verwirrt. Sie hatte nur an ihre letzten, teuren Lebensminuten gedacht und dieses Krokodilvieh redete von Bettsocken! "Bettsocken? Ich wusste nicht, dass Krokodile Bettsocken brauchen. Werden sie nicht nass bei euch im Schlamm?"

Albert McCrolly lächelte verständnisvoll und zeigte dabei sein hervorragendes Gebiss.

"Hier bin ich weit weg vom Schlamm und Wasser, Frau Rohde, sehr angenehm, sehr angenehm, aber, weil es etwas kühler hier ist als bei uns daheim, brauche ich Bettsocken und zwar vier, ja vier für meine vier Klauen und für meine vier Launen, einen gelben, einen blauen, einen grünen und einen roten."

Albert McCrolly sprang auf vom Stuhl und wippte mit dem Schwanz hin und her.....

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